In
den letzten zwei Monatstreffen des Transtalks bin ich nicht erschienen,
obwohl mir als für die Betreuung der TS zuständigem Teammitglied eine
gewisse Präsenzpflicht obliegt.
Grund meiner Abwesenheit war die Durchführung meiner so genannten Geschlechtsangleichenden
Operation von Mann zu Frau (MzF).
Meine Rückkehr aus dem Klinikum in Osnabrück ist erst ein paar Tage
her und ich komme gerne der Bitte von Emilia nach, mal ganz aktuell
davon zu berichten.
Dass
der Schritt zur Operation wohlüberlegt sein muss, ist wohl selbstverständlich.
Schon eine hormonelle Umstellung hat nach 2 bis 3 Monaten unumkehrbare
Folgen; ein chirurgischer Eingriff schafft aber dann endgültige Fakten.
In Osnabrück führt der Chefarzt der Urologischen Klinik, Prof. Dr. H.
van Ahlen die Operation durch. Er hat die Operationstechnik von Frau Dr.
Spehr in München erlernt und für sich weiterentwickelt. Ziel der OP
ist die vollständige Angleichung sowohl organisch als auch optisch an
das weibliche Geschlecht. Das heißt konkret Bildung einer funktionsfähigen
Neovagina, weiblicher Harnröhrenausgang und Anlegen einer vollständig
sensiblen Klitoris sowie natürlich aussehender Schamlippen. Die
Schaffung einer Gebärmutter und der Eierstöcke ist nicht möglich und
auch nicht angestrebt.
Noch vor 10 Jahren war das z.B. das Anlegen einer empfindungsfähigen
Klitoris keineswegs Standard und leider können auch heute noch
Operationsrisiken eintreten, die die Operationsziele verfehlen oder
aufwendige Nachoperationen erforderlich machen. Aus meiner
Beratungspraxis und durch zahlreiche Kontakte zu bereits operierten
MzF-TS kann ich sagen, dass das Komplikationsrisiko für derartige
Eingriffe bei 50 bis 60 Prozent liegt. Das heißt, dass nachbehandelt
werden muss oder gewünschte Ergebnisse nicht voll eintreten. Das sollte
man eben vorher wissen.
Ich halte van Ahlen allerdings für einen der besten Chirurgen auf
diesem Gebiet und habe schon vorher in natura die von ihm erreichten
Ergebnisse gesehen. Er ist Perfektionist und gegenüber transsexuellen
Patienten sehr aufgeschlossen und zeigt auch viel menschliche Wärme,
was bei Chefärzten und Professoren eher die Ausnahme darstellt.
Meine OP dauerte ca. 8 Stunden unter Vollnarkose und verlief
komplikationslos. In einer 2. Sitzung nach 6 Monaten werden dann noch
eher kosmetische Feinheiten gestaltet; die erste OP schafft aber schon
voll das weibliche Genital. Ich musste 6 Tage auf dem Rücken liegen mit
einem Druckverband. In dieser Zeit wurde ich auch ausschließlich künstlich
ernährt, denn der Verdauungstrakt muss zunächst stillgelegt sein.
Das erste Sitzbad nach Abnehmen des Verbandes und die Erkundungsreise
mit den Fingern zwischen meinen Beinen war unbeschreiblich! Christopher
Columbus kann sich nicht viel anders gefühlt haben.
Danach war viel Eigenarbeit nötig, denn man muss mit seinem neuen Körperteil
umgehen lernen und Wundversorgung und Hygienemaßnahmen übernimmt der
Patient nach einer ersten Einweisung durch den Arzt oder eine Schwester
selbst.
In der zweiten Woche wird Frau mobilisiert, das heißt Aufstehen und
sich auch etwas bewegen. Die erste leichte Mahlzeit ist dann ein Genuss
und ich habe registrieren dürfen, dass der Krankenhausaufenthalt mich
um 7 kg leichter gemacht hat. Wer also abnehmen will ........
Mit dem Sitzen ist es allerdings zunächst vorbei, denn wer setzt sich
mit seinem Körpergewicht auf das Wundgebiet? Deshalb liegt Frau auch
noch eine ganze Zeit lang, sofern sie sich nicht außerhalb des Bettes
bewegt.
Da ich auf einer ganz normalen urologischen Station untergebracht war
(natürlich in einem Krankenzimmer für Frauen) habe ich es bei einer
anderen transsexuellen Patientin erlebt, dass diese von einer
Mitpatientin als Zimmergenossin nicht akzeptiert wurde und verlegt
werden musste. So macht die Diskriminierung transsexueller Menschen auch
nicht vor Krankenhäusern halt. Man fand aber eine Lösung und
pflegerisches sowie ärztliches Personal haben sich uns gegenüber stets
einwandfrei und sehr freundlich verhalten.
Auch durch meine intensive Mitarbeit ist bei mir der Heilungsprozess überdurchschnittlich
gut verlaufen, so dass ich mit der absolut minimalen Verweildauer von
genau 3 Wochen (einschließlich 3 Tage OP-Vorbereitung) am 10. Juni die
Klinik verlassen konnte.
Nun eine Woche nach der Entlassung geht es mir von Tag zu Tag zunehmend
ein wenig besser und sowohl klitoral als auch vaginal hat sich bereits
in hohem Maße Emfindungsfähigkeit eingestellt. Das ist auch Ziel des
Eingriffes: Sich voll als Frau fühlen und empfinden zu können.
Macht das nicht alle Mühen und Schmerzen wett?
Das meint zumindest
Eure
/Ihre Dr. Petra Kaiser
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