Notizen aus der sexualmedizinischen Sprechstunde
Dieser Beitrag dürfte im Wesentlichen für unsere Transsexuellen Gäste von Bedeutung sein.
Beginnen wir mit den Östrogenen.
Vor etwa zwei Jahren wurde das Weltbild der etablierten Gynäkologie in
der ganzen Welt erschüttert: Amerikanische Studien bei tausenden
biologischer Frauen hatten ergeben, dass die Einnahme von Östrogenen
jenseits der Wechseljahre das Risiko,
Gebärmutterkrebs, Brustkrebs
und thromboembolische
Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenembolien) zu bekommen,
nachweisbar deutlich steigerte. Seitdem ist diese Behandlung in aller
Welt verlassen. Die Verordnung von Östrogenen zum „Hormonersatz“
ohne zusätzliche stichhaltige Gründe (z.B. schwerste Osteoporose,
schwere Wechseljahresbeschwerden (Schwitzen, Unruhe, Herzrasen usw.)
gilt seitdem als Kunstfehler.
Das betrifft natürlich auch alle MzF-TS!
Leider gibt es keine Langzeitstudien über die Folgen einer Östrogen-Thp.
bei TS. TS sind eine zu kleine und wenig interessante Gruppe für die
Wissenschaft. Allerdings ist bekannt, dass der Amsterdamer Endokrinologe
Van Gooren (weltweit einziger Lehrstuhlinhaber für „Transsexualität“),
der über dieses Thema in der Fachliteratur viel berichtet hat und wohl
auch in Europa die meisten Patienten/innen behandelt hat, bis vor ca.
sieben bis acht Jahren mit nach heutigen Maßstäben sehr hohen Dosen
von Ethinylestradiol über rel. Kurze Zeiträume behandelt hat, um
„schnelle Veränderungen“ zu erreichen. Der deutsche Endokrinologe
Prof. Stalla, der in München am Max-Planck-Institut arbeitet und in
diesem Land wohl zu denen gehört, die die meisten TS behandelt haben,
hat damals ein ähnliches Therapiekonzept vertreten. Van Gooren
berichtet über eine Reihe von Lungenembolien unter dieser Behandlung.
Dazu ist zu sagen, dass Lungenembolien eine sehr heimtückische Sache
sind: Ohne Vorankündigung kann man innerhalb weniger Minuten ersticken.
Auch Beatmung kann nicht helfen, weil die Durchblutung der Lungen mehr
oder weniger ausgefallen ist. Er berichtet auch über einen (einzigen)
Fall von Brustkrebs.
Die Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken dürfte bei TS sehr gering sein.
Man weiß von biologischen Frauen, dass das Brustkrebsrisiko abhängt
von der Zeitdauer der biologischen Östrogen-Einwirkung. Mädchen, die
mit zehn Jahren ihre erste Regel haben und als reife Frau mit fünfundfünfzig
ihre letzte Blutung haben, haben ein (geringfügig) höheres Risiko als
andere, die mit vierzehn erstmalig und mit 47 letztmalig bluten. MzF-TS,
die erst jenseits des dreißigsten Lebensjahres mit einer Östrogeneinnahme
begonnen haben und diese unter ärztlicher Beratung und Laborkontrolle
und vernünftig und moderat dosiert haben, brauchen diesbezüglich
sicher nichts befürchten. Denen, die zwischen zwanzigstem und dreißigstem
Lebensjahr mit der Hormoneinnahme begonnen haben und ein reichliches
Brustwachstum haben, rate ich, ab vierzigstem Lebensjahr eine
Mammografie machen zu lassen.
Schwerwiegender ist das Risiko, Lungenembolien zu bekommen (in höherem
Alter dann Herzinfarkt, Schlaganfall). Um dieses Risiko gering zu
halten, sollte das eigene „Risikoprofil“ mit einem in der Materie
erfahrenen Arzt ermittelt und besprochen werden. Hierzu gehört auch die
„Familienanamnese“, das heißt, die Erkrankungen und Todesursachen
der Verwandten und Vorfahren.
Die Eckpunkte sind dabei eher niedrige Dosierungen. Estradiol (statt
Ethinylestradiol), eventuell perkutane Applikation (Pflaster, Hautgel),
oder Mischapplikation (Tablette und perkutane Applikation), da was über
die Haut zugeführt wird, weniger häufig Thromboembolien macht. Und –
das kann auch völlig ohne ärztliche Beratung geschehen: Gesunde
Lebensweise.
Das größte selbst gemachte Risiko diesbezüglich ist das Rauchen.
Rauchen ist ein immenser Risikofaktor, was die Entwicklung von
Herzinfarkt, Lungenembolien und Schlaganfall betrifft. Auch eine Reihe
von Karzinomen (neben dem bekannten Bronchialkarzinom) werden durch
Rauchen nachweislich begünstigt: Brustkrebs, Blasenkrebs, Nierenkrebs.
Und schließlich gesundes Essen: Gemischte fleischarme Kost mit viel
Obst, Gemüse, Salat, Vollkornbrot, Verzicht auf tierische Fette
(Butter), fettarmer Käse, Seefisch.
Und: Sport und Bewegung.
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